Entstehung der Hommage

Die idyllische Stadt Lübben am Ufer der Spree ist voll bildhafter Wiesen, windender Kanäle und schöner Wälder. Paul Gerhardt, dessen andächtige Hymnen in der ganzen Welt beliebt sind, lebte vor 350 Jahren in dieser Spreewaldstadt.

Als Künstler Mumbiram 2011 aus Indien nach Lübben kam, war er von zwei Dingen beeindruckt. Einerseits freute er sich über die seelenruhige Schönheit der Natur. Andererseits war er überglücklich, als er Paul Gerhardts wunderschöne Dichtung entdeckte, welche die Pracht des Schöpfers und der Schöpfung lobt.

Mumbiram am Fluss, Lübben, 2011, (Foto privat)
Mumbiram am Fluss, Lübben, 2011, (Foto privat)

Ein Denkmal von Paul Gerhardt schmückt den Eingangsbereich der Paul-Gerhardt-Kirche am Marktplatz im Herzen von Lübben. Hier steht Paul Gerhardt, ein Buch seiner Hymnen haltend. Der Sockel des Denkmals ist mit einigen von Paul Gerhardts Versen versehen. Als Mumbiram diese entdeckte, war er fasziniert von den Worten und hatte ein Deja-vue ähnliches Erlebnis. Denn Paul Gerhardts Verse drücken fast identische Gefühle aus wie einige der bedeutendsten, antiken Sanskritklassiker Indiens.

Mumbiram an der Paul-Gerhardt-Kirche Lübben, 2011, (Foto privat)
Mumbiram an der Paul-Gerhardt-Kirche Lübben, 2011, (Foto privat)
Mumbiram am Sockel des Paul Gerhardt Denkmals in Lübben, 2011, (Foto privat)
Mumbiram am Sockel des Paul Gerhardt Denkmals in Lübben, 2011, (Foto privat)

Mumbiram erwarb eifrig eine englische Übersetzung von Paul Gerhardts Versen. Paul Gerhardt komponierte ausgiebig. Es sind Hymnen von Vertrauen, Freude, Danksagung und Lobpreisung. Dann gibt es das Lied der Sommerzeit: „Geh aus mein Herz“. Die Strophen dieses Liedes wurden Thema von Mumbirams täglicher Meditation während der nächsten drei Monate einer unvergesslichen Sommerzeit in Lübben.

Der Künstler, zusammen mit seinen zwei kleinen Söhnen, ging auf fröhlich gemächliche Spaziergänge entlang der Felder um Lübben, wo man einer großen Vielfalt bescheidener Pflanzen exotischer Schönheit begegnet. Der jüngere Sohn liebte die Ente, die sanft auf dem Wasser glitt. Der Ältere war fasziniert von den flinken Flügen des Buntspechts, der aus dem Nichts auftauchen würde. Sie entdeckten Käfer auf der Erde, die Erwachsene mit Sicherheit übersehen würden. Aufwendige Muster auf den winzigsten Blättern von bescheidenen Pflanzen am Wegesrand faszinierten sie. So auch die langen, biegsamen Äste der Weidenbäume, die lang herunterhängend fast den Boden berührten. Mumbiram bewunderte die Farben der winzigen Blümchen, die jeden Tag neu am Wegesrand erscheinen würden.

Das Trio würde mit Sträußen aus Blättern und Blumen nach Hause kommen. Die Mutter der Kinder würde einfache Vasen aus Ton auf dem Dachboden der Urgroßeltern finden. Dann würden sie diese Entdeckung des Tages liebevoll in diesen Vasen arrangieren und deren Schönheit bestaunen. Die Oma würde nostalgisch werden über ihre Kindheit im geliebten, kleinen Lübben in der Nachkriegszeit in der ehemaligen DDR. Sie würde erzählen wie sie als Kinder einige dieser bescheidenen Straßenrandpflanzen nannten und wie sie Möglichkeiten fanden amüsante Kindheitsdinge aus diesen zu basteln. Natürlich gab es auch Pflanzen, die sogar sie nicht benennen konnte, aber deren Schönheit sie zusammen mit ihren Enkeln bestaunte.

Eine hölzerne Platte, die gerade groß genug war, wurde in der Garagenwerkstatt des Großvaters gefunden. Mumbiram würde darauf ein handgeschöpftes Papier aus Baumwolle befestigen. Er hatte rollenweise von diesem Papier aus Indien mitgebracht. Dann würde sich Mumbiram unter dem Apfelbaum mit einem Buch von Paul Gerhardts Liedern und seinen Farben und Pinseln niederlassen. Omar Khayyam hätte sich nichts Besseres wünschen können.

Mumbiram mit Paul Gerhardt Hommage, 2011 Lübben, (Foto privat)
Mumbiram mit Paul Gerhardt Hommage, 2011 Lübben, (Foto privat)

Am Ende des langen Sommertages vollendete der Künstler die letzten Feinheiten des farbigen Ensembles von wilden Blumen, Blättern und Beeren arrangiert in einer Tonvase. Ein Buch von Paul Gerhardts Liedern, ein Rosenkranz, eine Kerze, eine Flöte, eine Pfauenfeder und ein offenes Buch würde die Vase jeden Tag in einer neuen Anordnung umgeben. Drei Zeilen ausgewählter Verse von Paul Gerhardts „Geh aus mein Herz“ würden in großen, einfachen Buchstaben ‘eingeprägt’ werden.

Kaum war das zwölfte der Werke von Mumbirams Paul Gerhardt Hommage fertig gestellt, erschien auf dem Titelblatt der Lausitzer Rundschau Lübben ein großer Artikel darüber: „Fasziniert von Paul Gerhardt“.

Die Lübbener, die Mumbiram bereits kennengelernt hatten, waren voller Verwunderung aber auch Stolz. Sie hatten selbst kein großes Interesse an Paul Gerhardt empfunden. Mumbirams Bilder von Paul Gerhardts Versen hatten etwas Vereinendes, das anziehend war. Es war einfach sie wertzuschätzen und sich mit ihnen zu verbinden. Es waren ‘ihre’ heimischen Pflanzen und ‘ihr’ Paul Gerhardt, die hier zu neuem Leben erweckt wurden.

Fasziniert von Paul Gerhardt, Lausitzer Rundschau, Lübben, Ingvil Schirling, Mumbiram
Fasziniert von Paul Gerhardt, Lausitzer Rundschau, Lübben, Ingvil Schirling, Mumbiram

Der damalige Bürgermeister, Lothar Bretterbauer, hätte die Bilder gerne im Rathaus ausgestellt. Doch dann gab es unterschiedliche Meinungen darüber und das Kunstkommittee des Rathauses fand das Rathaus wäre nicht der richtige Platz für diese Paul Gerhardt Hommage, da es ‘Volkskunst’ sei.
Mumbiram hat sich nie um Meinungen von Kunstkommittees geschert. Die Idee einer Paul Gerhardt Hommage wurde dann ohne Mumbiram vom Paul Gerhardt Verein mit ‘einheimischen’ Künstlern und Schülern umgesetzt.

Eine verpasste Chance? Nicht für Mumbiram, der bereits eine tiefe Beziehung zu Paul Gerhardt aufgebaut hatte, und dessen Interesse an dem Menschen wuchs.

Mumbiram spazierte auf denselben Wegen in und um Lübben, auf denen Paul Gerhardt vor über 300 Jahren ging. Er entdeckte das Paar der Amseln, die ihr Nest versteckt hoch im Baum bewachten. Er sah wie farbenfrohe Buntspechte den mit köstlichen Früchten beladenen Kirschbaum besuchten. Schwärme von wilden Tauben würden laut angeflogen kommen. Schmetterlinge mit schönen Mustern und Libellen schwebten fröhlich umher. Frösche würden entlang der Wasserwege ausrufen. Große Kathedralen von Wolken würden plötzlich am klaren, blauen Himmel erscheinen.

Mumbirams Paul Gerhardt Hommage war bei den Lübbenern bekannt geworden und eines Tages wurde er von einem Kahnfährmann gefragt, ob er nicht Paul Gerhardt malen könnte. In der Tat gab es von Paul Gerhardt keine anderen Kunstwerke bis auf die leicht abgewandelten Versionen ein und desselben Portraits, welches auch in der Lübbener Paul-Gerhardt-Kirche hängt.

Paul Gerhardt Gemälde Lübben
Paul Gerhardt Gemälde Lübben

Mumbiram las Pfarrer Don Hougards Buch „Paul Gerhardt, The Singer of Comfort, Hope, and Peace in Christ” und begann den Dichter mehr und mehr zu schätzen und zu verstehen.
Paul Gerhardt beharrte darauf, dass seine Beziehung zu Gott bedeutender ist als sein Gehorsam zum Staat. Er akzeptierte die Konsequenzen. Er bevorzugte es ein Leben im Exil zu führen als dem Edikt des Kurfürsten von Brandenburg Folge zu leisten, was ihn gezwungen hätte seine Anschauungen und Vorstellung von Gott aufzugeben und anderer Doktrin anzupassen. Es war in der Kirche in Lübben, was damals zu Sachsen gehörte, wo Paul Gerhardt die Freiheit gegeben wurde, das Evangelium nach eigenem Herzenswunsch zu predigen. Der Kurfürst von Sachsen bot Paul Gerhardt “Kirche, Menschen, Heim, Auskommen und die Freiheit das Evangelium nach eigenem Herzenswunsch zu predigen”. In der damaligen Nikolaikirche in Lübben wurde Paul Gerhardt zum Archidiakon und diente bis zu seinem Tod 1676. Paul Gerhardt, der durch den Dreißigjährigen Krieg lebte, erlitt große persönliche Tragödien, verlor seine Ehefrau und alle bis auf eines seiner Kinder.

Meditierend über Paul Gerhardts Gefühle, war es der Dichter selbst, der in vier Erscheinungen auf Mumbirams Indischem, handgeschöpften Papier zum Leben erweckt wurde.

Paul Gerhardt – wie er auf Mumbirams handgeschöpftem Papier,

welches er aus Indien mitgebracht hat, erschienen ist.

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